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  • Sylvia Schumacher

Hypnose - Mythos und Möglichkeit

Aktualisiert: 15. Nov. 2021

Wissenwertes zum Thema Hypnose und ihre Möglichkeiten in der therapeutischen Arbeit

Hypnose - ein Begriff, der viele Menschen ebenso anzieht, wie er so manchen auch abschreckt oder sogar Ängste auslösen kann.

„Werde ich in Hypnose willenlos?“ ist eine der häufigsten Fragen.

Doch auch an die Hypnose gebundenen Hoffnungen und Erwartungen bewegen sich manchmal im Bereich des Phantastischen. So lassen sich Ängste, Phobien, Schmerzen, Süchte und andere körperliche und seelische Befindlichkeitsstörungen in der Regel zwar mit der modernen Hypnosetherapie behandeln, aber eben nicht „mal schnell weghypnotisieren“.

Das liegt daran, dass jeder Veränderungsprozess auf den verschiedensten Ebenen eine geeignete Bahnung braucht, um zu gelingen.

Hier ein wenig Aufklärung...


Das Wort Hypnose bezeichnet ein Verfahren, das auf eine – gerade auch in Europa – lange Tradition als medizinisches und psychotherapeutisches Heilverfahren blickt. Die Hypnose unterlag im Laufe der Jahrhunderte einem stetigen Wandel. Bis heute ranken sich auch allerlei Geheimnisse und Mythen um diesen Begriff und um das, was hinter ihm steckt.

Der Begriff leitet sich ab von dem altgriechischen Wort „hypnos“ = Schlaf. Dies, da man bei dem durch Hypnose erreichten Zustand früher davon ausging, dass es sich um einen schlafähnlichen Zustand handele.


Hypnose bezeichnet ebenso das Verfahren zur Erreichung einer hypnotischen Trance wie den Zustand der Trance selber.


Bei der Trance handelt es sich um einen Bewusstseinszustand veränderter mentaler Verarbeitung und fokussierter Aufmerksamkeit. Dieser Zustand ist häufig mit tiefer Entspannung verbunden. Trance und Trancetiefe können von Mensch zu Mensch sowie situationsbedingt variieren. Keineswegs handelt es sich immer um einen völlig „unbewussten“ Zustand. Weitaus häufiger wird der Zustand als angenehmes, wenn auch verändertes, Erleben mit dem bewussten Verstand wahrgenommen. Therapeutische Trance (und Hypnose) bedeutet somit keineswegs den häufig gefürchteten Kontrollverlust. Vielmehr ist die Fähigkeit zur Trance dem Menschen durchaus zu eigen, und diese kann als Alltagszustand auch ganz spontan entstehen, also ohne formale Induktion durch Hypnose.

Autofahrer kennen das vielleicht - Sie fahren jeden Tag die selbe Strecke und fragen sich bisweilen am Ziel, wie Sie dort hin gekommen sind...

Oder beobachten Sie Kinder beim verträumten Spiel. Sie wirken dann oft wie in einer anderen Welt, sind kaum ansprechbar und befinden sich vermutlich in tiefer Trance...

Der veränderte Bewusstseinszustand der Trance ermöglicht Erfahrungen, Sichtweisen und Möglichkeiten, die sich vom Alltagsbewusstsein unterscheiden, und in der Behandlung mit Hypnose gezielt genutzt werden können. Hierbei kommen häufig hilfreiche, und mit dem Patienten gemeinsam entwickelte Suggestionen zur Anwendung.


Unter dem Begriff Suggestion wird sowohl Aufforderung (direktive Suggestion) als auch Vorschlag (indirekte Suggestion) zur Veränderung eines bestimmten Verhaltens oder Erlebens verstanden. Suggestionen in der Hypnosetherapie dienen z. B. der Veränderung physiologischer Reaktionen oder der Aktivierung von Vorstellungen und inneren Bildern. In der Folge kann sich dann z. B. vertiefte Entspannung, ein bestimmtes Erleben oder eine andere, auch über den Trancezustand hinaus gewünschte Veränderung einstellen.


Suggestibilität schließlich bezeichnet das Persönlichkeitsmerkmal eines Menschen, vorgeschlagene Suggestionen, eingegebene Gedanken, Gefühle, Wahrnehmungen oder Vorstellungen zu übernehmen. Für die Hypnose bzw. therapeutische Trance ist neben dem Einfühlungsvermögen des Therapeuten ein ausreichendes Maß an Suggestibilität notwendig. Dabei ist das Vorstellungsvermögen von großer Bedeutung, in der Regel aber bei den meisten Menschen ausreichend. Aber auch Ängste, Zweifel und andere Widerstände spielen bei der eigenen Suggestibilität eine Rolle.


Interessantes zur Geschichte der Hypnose


Erste Begegnungen mit dem Phänomen der Hypnose bzw. des Trancezustandes führen uns in vorchristliche Zeiten.

Alte hinduistische Meditationspraktiken der Yogis und Fakire des 2. vorchristlichen Jahrtausends, aus denen das heute noch praktizierte Yoga hervorging, hatten in Induktion und Zielzustand große Ähnlichkeit mit der Hypnose.

Ebenfalls heilenden und hellseherischen Zwecken diente der rituelle Tempelschlaf im Ägypten (Isis-Kult) und Griechenland (Asklepius-Kult) vorchristlicher Zeit. Auch keltische Druiden verwendeten reimende Gesänge zum Erlangen eines schlafähnlichen Zustandes mit hellseherischen Träumen.

Heilungen, verbunden mit Handauflegen, die man auch in biblischen Beschreibungen von Jesus und seinen Jüngern findet, lassen an hypnotische Phänomene denken.

Bei den Vorläufern der Hypnose stellten bestimmte Körperhaltungen wie Knien oder Lotussitz, und Zeremonien einen Hauptaspekt dar. Oft wurden die heilenden oder verändernden Wirkungen einer göttlichen Kraft zugeschrieben.

Ausgehend von bestehenden Glaubenssätzen, sozialen Normen und Kontextbestimmungen gab und gibt es bis heute in aller Welt Riten, die Menschen in die Lage versetzen, innerhalb physiologischer Grenzen, ihre psychologische Grenzen zu überschreiten und auch körperlich veränderte Reaktionen auszulösen (z. B. Schmerzlosigkeit).

Eine weniger mystische Ära der Hypnose setzte dann ein mit dem Aufklärer Franz Mesmer (1734-1815). Er deutete die Wirkung der Hypnose nicht als spirituelle, sondern als natürliche Kraft – allerdings außerhalb des Menschen lokalisiert. Er prägte den Begriff des sogenannten Magnetismus. Mit dieser Annahme wurde Mesmer vor der Akademie der Wissenschaften in Paris jedoch nicht akkreditiert. Mitte des letzten Jahrhunderts wurde die Vorstellung einer von außen wirkenden Kraft dann fallengelassen.

Der Arzt James Braid ging von physiologischen Veränderungen aus, die er auf Monotonie zurückführte und als Schlaf (Hypnos) beschrieb. In dieser Zeit wurde die Hypnose von englischen und schottischen Ärzten erfolgreich zur Analgesie (Schmerzbekämpfung) bei chirurgischen Eingriffen eingesetzt. Sie verschwand aus diesem Bereich allerdings wieder mit der Einführung von Betäubungsmitteln.

Der Neurologe Jean-Martin Charcot griff die Hypnose dann als psychiatrisches Phänomen – etwa als künstlich herbeigeführte Neurose – wieder auf.

Erst Ende des letzten Jahrhunderts wurde die Hypnose von Auguste Liébeault und Hypolyte Bernheim als ein natürliches Phänomen angesehen, das durch Suggestion zu erreichen ist. Die Tradition dieser französischen Schulen wurde im deutschsprachigen Raum weitergeführt. Auch Sigmund Freud interessierte sich zunächst für die Hypnose, verwarf sie aber, weil er sie nicht für zuverlässig genug hielt. Freud trug so zum Rückgang des Interesses an der Hypnose bei. Als Heilverfahren überlebten in reduzierter Form vorerst das Autogene Training (Schultz, 1932), die Selbsthypnose und die gestufte Aktivhypnose (Kretschmer, 1946).


Erst nach Ende des zweiten Weltkrieges wuchs das Interesse an der Hypnose erneut, als sich nachweisen ließ, das mit ihr Opfer von Kriegsneurosen, Zahnpatienten und Geburtshilfefälle erfolgreich behandelt werden konnten (Hilgard 1965). Die meisten der heutigen Theorien lehnen neurologische oder physikalische Erklärungen ab zugunsten von psychologischen Ansätzen:

So wird heute von einigen Theoretiker Trance gesehen als

  • Regression (Zurückgehen zu früher erlebten Geschehnissen mit all den dazugehörigen Sinneswahrnehmungen und Gefühlen)

  • Lernen durch Erfahrung (Tranceerlebnisse resultieren demnach aus Suggestionen des Hypnotiseurs und sind ähnlich wie erlernte Gewohnheiten zu betrachten)

  • Dissoziation (vorübergehendes Loslösen von der vertrauten Funktion des Kontrollierens und bewussten Planens, dadurch wird dann die Erfahrung z. B. der Amnesie, der Schmerzkontrolle u.a. möglich)

  • Ergebnis positiver Einstellungen, Motivationen und Erwartungen (Trance durch reine Imagination von suggerierten Themen)

  • Rollenübernahme (hier wird "hypnotisches Verhalten" im Sinne eines „als-ob“- Verhaltens gesehen, ein bisweilen tiefes Eintauchen in eine hypnotische „Rolle“ mit Veränderung der subjektiven Wirklichkeit. (Gilligan, 1998)

Die Mitte der 70er Jahre dominierende „Klassische Hypnose“ versteht den hypnotischen Zustand als veränderten Bewusstseinzustand, der zu einer erhöhten Suggestibilität des Patienten führt. Die in Trance gegebenen Suggestionen sollten daher eine besonders starke, auch den Alltag des Patienten verändernde Wirkung haben. Hier wird meist ganz symptomorientiert gearbeitet, ohne psychodynamische Zusammenhänge zu berücksichtigen.


Die heute von vielen Therapeuten angewendete moderne Hypnosetherapie wurde weitgehend geprägt durch den amerikanischen Arzt und Psychiater Milton H. Erickson.

Bereits als Kind machte er erste autohypnotische Erfahrungen. Etwa, indem er sich bei der Überwindung seiner Legasthenie Buchstaben in positiver Weise visuell halluzinierte. Als er im Alter von 18 Jahren nach einer schweren Polio-Erkrankung fast vollständig gelähmt war, nutze er halluzinatorische Vorstellungen und ideomotorische Prinzipien, um seine Muskeln nach und nach wieder zu innervieren, und auch mental Kraft zu schöpfen.

Erickson war sich bereits als junger Arzt der Vieldimensionalität der hypnotischen Erfahrung bewusst und trug dieser Komplexität in höchstem Maße Rechnung.


Hypnose - ein Weg zur Veränderung


Die moderne Hypnosetherapie nutzt systematisch alle mit der Trance verbundenen mentalen und physiologischen Prozesse zur therapeutischen Veränderung.

  • Veränderung physiologischer Prozesse

Durch den Trancezustand selbst sowie durch Suggestionen bzw. die aktivierte Vorstellung können z. B. der Muskeltonus, die Kreislauffunktion, das autonome Nervensystem, das Immunsystem und das hormonelle System beeinflusst bzw. verändert werden. Zunutze machen kann man sich dies im Bereich Entspannung u. Stressreduktion, Wundheilung, Blutungskontrolle, bei Allergien, Autoimmunerkrankungen und anderen physiologischen und pathologischen Prozessen.

  • Transformation/Veränderung von Wahrnehmungen und Symptomen

Durch Veränderung des Schmerzempfindens können Schmerzen z. B. in ihrer Qualität, Dauer oder ihrer Stärke verändert wahrgenommen werden

  • Anregung einer szenischen Vorstellung

Über die Aktivierung der Vorstellung (z. B. von Wärme in der Hand) werden unwillkürliche physiologische Vorgänge ausgelöst (im Beispiel ‚die Hand wird warm’ durch Erweiterung der Blutgefäße mit messbarer Temperatursteigerung). Die Vorstellung von angestrengter Bewegung kann so z. B. alle entsprechenden physiologischen Aktivitäten (Blutdrucksteigerung, Erhöhung der Atemfrequenz, Schwitzen, Kalorienverbrauch) zur Folge haben.

Wie jeder schon einmal erlebt hat, erzeugt auch die vorgestellte bzw. erinnerte Situation z. B. einer konflikthaften Auseinandersetzung die entsprechenden Gefühle mit den dazu gehörigen Veränderungen z. B. des Gesichtsausdrucks, Verspannungen etc.). Dies kann in Therapiesitzungen genutzt werden z. B. zur Bahnung neuen Erlebens und/oder Verhaltens bei überwertig erlebten Gefühlskomponenten, oder auch zur Lösung emotionaler Konflikte.

Auch die emotionale Basis von Schmerzen und Erkrankungen kann so bearbeitet werden.

  • Abspaltung (Dissoziation) von Vorstellungen und Gefühlen (z. B. bei Ängsten oder auch Schmerzen) sowie Neuorientierung (Assoziation) und Erweiterung der (emotionalen und/oder physiologischen) Möglichkeiten.

Abspaltung von Bewusstseinsinhalten ist ein natürliches Phänomen. Man denke an die große Menge an Informationen, die wir in jeder Sekunde unseres Lebens erhalten, aber mit dem bewussten Verstand einfach „vergessen“. Oder wir erleben unseren schmerzenden Zahn nicht mehr, wenn eine stärker wirkende Ablenkung – z. B. ein plötzliches aufregendes Ereignis – einsetzt.

In der Trance kann erreicht werden, dass belastende Situationen gleichsam von außen betrachtet werden oder überwertige Details (wie die Erinnerung an schreckliche Geräusche, einen schlimmen Geruch etc.) abgeschwächt werden. Das macht z. B. traumatische Erfahrungen einer weniger belastenden Verarbeitung zugänglich. Ebenso ist die Dissoziation geeignet, sozusagen Distanz zu körperlichen Schmerzen zu gewinnen.

Ein weiteres Phänomen ist auch die sogenannte posthypnotische Amnesie, also das Vergessen oder Abspalten der in der Trance erlebten Inhalte.

Andererseits können auch fehlende Erfahrungsaspekte – beispielsweise sich zu wehren – in der Trance „nacherlebt“ werden und dadurch eine Veränderung der ursprünglich (belastenden) Erfahrung abgespeichert werden. Diese Erfahrungsaspekte können aus den eigenen Möglichkeiten (Ressource) des Klienten stammen oder suggeriert werden.

  • Rückführung in vergangene Erlebnisinhalte (Regression), z. B. zur Aufdeckung und/oder Verarbeitung traumatischer Ereignisse, sowie eine in der Vorstellung aufgesuchte Zukunft mit möglichen (heilenden) Erfahrungen (Progression)

Die Rückführung in die Vergangenheit des Klienten dient entweder der Nutzbarmachung früherer Erfahrungen (Ressourcen) oder der Aufdeckung von traumatischen Erfahrungen, deren Bearbeitung nicht abgeschlossen ist.

Andererseits kann es sinnvoll sein, wenn der Klient sich in zukünftige Situationen versetzt, um beispielsweise zu erwartende Stresssituationen (Prüfungen o.ä.) durchzugehen oder sich einen Zustand vorzustellen, in dem sein Problem gelöst ist.

  • Einleiten innerer Suchprozesse zur kreativen Problemlösung

Dass in der Trance der gewohnte Wahrnehmungs- und Bewertungsrahmen verändert bzw. erweitert ist, wird in der Hypnotherapie genutzt. So kann es weitaus effektiver und einfacher sein, auf die Kreativität des Klienten zu vertrauen, als Lösungen zu suggerieren, die der Therapeut glaubt zu wissen. In der Trance ist es leichter, ungehinderte Suchprozesse auszulösen. Dabei wird davon ausgegangen, dass sowohl die Möglichkeiten zur Veränderung als auch die möglichen Lösungen bereits im Klienten vorhanden sind. Der Hypnosetherapeut bietet sozusagen lediglich Vorschläge zu einer Richtungsänderung oder Veränderung der Perspektive an, oder er sät Zweifel über eine bestehende Annahme/Erwartung des Klienten, so dass das Entwickeln neuer Strategien möglich wird.



In meiner Praxis kommt Hypnose nach Absprache bei den verschiedensten Anliegen zur Anwendung

  • als Teil einer Psychotherapie

  • bei Ängsten, Zwängen etc.

  • beim Weg in ein rauchfreies Leben

  • begleitend bei Essstörungen

  • bei der Schmerzbehandlung

  • bei psychosomatischen oder chronischen Erkrankungen

  • zur Erweiterung und Nutzbarmachung der eigenen Fähigkeiten und Ressourcen (z. B. als mentales Training für Sportler, bei Lernproblemen etc.)

  • zur Stressreduktion

  • bei Schlafproblemen

  • zum Einüben der Selbsthypnose


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